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DRUCKEN WEITERSENDEN Der versteckte Text: Aspekte digitaler Bilder 


1. Text als Bild

Die zunehmende Visualisierung der Kommunikation und Wahrnehmung ist seit langem ein beklagtes Phänomen unserer Gesellschaft. Als Neil Postman 1985 dem Fensehen eine unhintergehbare Grammatik der Zerstreuung unterstellte, war er damit schon nicht mehr der erste. Vor ihm hatte Günther Anders 1956 dem Medium der Bilder schlechte Noten ausgestellt und wiederum einige Jahrzehnte zuvor war es das Kino, dem man die Unterstützung der Zerstreuung bis hin zum Verderben der Sitten nachsagte. Die Bilderflut ist eine alte Gefahr, und immer wird sie diskutiert im Zusammenhang mit Zerstreuung, Amüsement oder Spektakel. Jochen Schulte-Sasse spricht 1988 in diesem Zusammenhang von einer Dramaturgie des Spektakels, die kaum noch der Sprache vertraut, um ihre Ziele zu erreichen.
Die digitalen Medien erschienen da zunächst als Sachverwalter des Wortes und führten mit ihren grünen Zeichen auf schwarzem Grund zu einer regelrechten Renaissance des Entzifferns. Bekanntlich ist der Computer, trotz seiner abstrakten mathematischen Grundlage, diesem Text-Spartanismus längst entwachsen. Das Interface ist inzwischen handhabbar für jeden halbwegs pfiffigen Analphabeten, Websites ohne Images werden zur Seltenheit und sind schon als Zeichen des Widerstandes zu verstehen und mit der Flash-Technologie scheinen denn auch die digitalen Medien endgültig beim Spektakel angekommen zu sein. Die einst die neuen Techniken priesen, äußern sich nun ähnlich besorgt wie vormals Anders und Postman. So spricht Robert Coover, 1992 Prophet der Hyperfiction in der New York Times Book Review, Anfang 2000 vom constant threat of hypermedia: to suck the substance out of a work of lettered art, reduce it to surface spectacle. (1)
Die Art der Präsentation dieser Warnungen zeigt schon die Effekte folgen auf den Klick, wenn immer sich an der Cursorspitze ein Kreis bildet, es sind mehr, als man zunächst annimmt: wer das hartnäckige Fragezeichen gesehen hat, hat alles gesehn, dass es eine Visualisierung vor dem Bild gibt, in der der Bedeutung des Textes durch die Art und Weise seiner Präsentation überlagert wird. Die Buchstaben erobern sich als materielle Zeichen den Raum, sie haben ihren Auftritt nicht mehr nur vor dem inneren Auge des Lesers, sie wollen vielmehr tatsächlich gesehen werden und verlören in der akustischen Realisierung mehr als ihre Schriftlichkeit. Dass es sich dabei nicht allein um die Übertragung der konkreten Poesie ins Reich des Digitalen handelt, liegt auf der Hand angesichts der Faktoren Zeit und Interaktion, die im vorliegenden Fall zusätzlich eine Rolle spielen.
Dass diese Visualisierung von Text eine über den Effekt seines Erscheinens hinausgehende Bedeutung haben kann, wird wohl ebenfalls einsichtig, wenn man sich nur den obersten Satz hernimmt, der auf der Verdrängung eines Teils des Anfangssatzes beruht. Nicht, dass dieses Verfahren im vorliegenden Fall in besonders avancierter Weise semantisiert worden wäre. Aber man kann sich wohl leicht vorstellen, was aus diesen Teleskopsätzen mit dem entsprechenden Talent nicht nur im Technischen zu machen ist.
Und wenn Urs Schreiber im hier zugrundeliegenden Projekt Epos der Maschine an späterer Stelle einen längeren Text durch das Verschwinden einzelner Wörter so verjüngen lässt, dass sich plötzlich auch die Bedeutung der stehengebliebenen Zeichen völlig ändert, ist dies einerseits ein Spiel, vergleichbar der barocken Kombinationslyrik, andererseits auch eine neue Aussage, die erst vor dem Hintergrund der zurückgenommenen ihre Bedeutung erhält. Auch das Spektakel, so ist an dieser Stelle schon einmal festzuhalten, muss entziffert werden.(2) Kommen wir zur Visualisierung mit Bildern. 2. Bild als Text

Eine Betrachtung der Wort-Bild-Beziehungen muss zunächst drei Ebenen unterscheiden:
Die Anwesenheit des Bildes im Wort als bildlicher Sinnenschein des Gesagten. Die Wechselbeziehung im Sinne des Austausches von Stoffen und Formen, wie etwa in den auf mythologischen Texten beruhenden Gemälden der Renaissance. Die Vereinigung von Wort und Bild im einzelnen Artefakt, wie etwa im Emblem, in der Bildergeschichte oder im illustrierten Buch.(3)
Die dritte Variante, die einzig hier weiter interessieren soll, lässt sich wiederum dreifach perspektivieren.
Auf der Ebene der äußeren Faktur sind Anteil und Verbindung von Wort und Bild zu diskutieren. Hierbei kann die verbale Äußerung in die ikonische eingebettet sein, wie beim Comic-Strip, (4) oder das Bild ist umgekehrt in den Text eingebettet, wie bei der Emblematik oder der Verwendung von Text als Bildtitel. In diesem Falle befindet sich die Sprechinstanz außerhalb des Bildes, dominiert die Textsemantik über die Bildsemantik und übernimmt die bedeutungsstrukturierende Funktion.(5)
Auf der Ebene des Inhalts ist zu fragen, welches Medium die Vorlage gab, welches edium dem Rezipienten als Leitfaden dient und wie aus der Verbindung von Wort und Bild ein inhaltliches Ganzes erwächst. Im Hinblick auf den inhaltlichen Zusammenhang können Wort und Bild a) denselben Stoff jeweils mit ihren eigenen itteln wiedergeben (Bilderbibel des MA), b) sich einander wechselseitig kommentieren und auslegen, c) sich in den Stoff teilen (Bildergeschichte Wilhelm Buschs). (vgl. Willems)
Auf der Ebene der inneren Faktur ist die Gestaltung des Bilds mit Rücksicht auf das benachbarte Wort und die des Worts mit Rücksicht auf das benachbarte Bild zu erörtern. So z.B. die Entlastung des Wortes vom anschaulichen Reden angesichts der im Bild gegebenen Anschauung, die Entlastung des Bildes von der Entfaltung der Bedeutungszusammenhänge oder die Verstärkung der Bedeutungsstrukturen des Bildes, um die Anknüpfungspunkte des Wortes zu erhöhen. (Willems, 420f.)
Die Analyseperspektiven, die hiermit angerissen sind, finden freilich auch im Hinblick auf die Wort-Bild-Beziehung in den digitalen Medien Anwendung. Allerdings fügt die Digitalisierung der Wörter und Bilder dem Komplex weitere Aspekte hinzu. Um diese geht es mir in meinem Vortrag. Wir haben gesehen, wie die Transformation des Wortes in ein Bild sich in diesen Medien gegenüber den Printmedien unterscheiden kann. Das nächste Beispiel führt vor Augen, welch grundsätzlich neue Eigenschaften das Bild im Zeichen seiner Digitalität annimmt.

Was das vorliegende Bild von Leslie Huppert von herkömmlichen Bildern unterscheidet, ist die Veränderung seiner Farbe. Es besteht aus verschiedenen Fassungen, die einander folgen, und erinnert damit an Andy Warhols serielles arylin Monroe-Porträt. Aber während man dort, so wie einst bei der seriellen Malerei und der seriellen Fotografie, von links nach rechts und von oben nach unten 'liest', tritt hier ein Bild an die Stelle des anderen. Statt den Blick bewegen zu müssen, wird das Bild bewegt. Dies geschieht allerdings anders als beim Film, wo bekanntlich das eine Bild das andere zur Seite schiebt, und zwar mit einer solchen Geschwindigkeit, dass der stroboskopische Effekt entsteht, der die Momentaufnahmen zäsurlos als eine durchgängige Bewegung wahrnehmen lässt.  

> Im vorliegenden Fall des digitalen Bildes gibt es dieses analoge, fürs menschliche Auge unsichtbare Zur-Seite-Schieben nicht, sondern einen Austausch, der im Zeichen der Digitalität faktisch nur den Zustand Bild 1 und Bild 1+n kennt. Bemerkenswert ist dabei, dass nicht mehr das materielle Medium bewegt wird, sondern das Dargestellte, nicht Zelluloid, das die Abbildung trägt, sondern gleich die Abbildung selbst: Ausgetauscht werden die Pixel, die die Abbildung sind.



Im vorliegenden Fall wurden übrigens 1000 Loops programmiert. Da jeder Durchlauf nur zwei Dateien umfasst, die sich mit einer Geschwindigkeit von 30/100 Sekunden ablösen, benötigt jeder Loop nur 60/100 Sekunden, womit die Bewegung nach 600,6 Sekunden mit Datei B endet. Nach etwa 10 Minuten sehen wir nur noch Bild B, das dann wie ein normales Bild aussieht, vergleichbar einem der Monroe Bilder aus Warholls Serie. Aber so wie jene Serie als Summe ihrer Teile ein Werk darstellt, das seinen Sinn erst in dieser Serialität erhält, so müssen wir auch im vorliegenden Fall jene anderen Bilder mitzählen, die nun nicht mehr zu sehen sind. Wieviele waren es gleich wieder? 1? 2001? Ich plädiere für die höhere Zahl, insofern nicht nur die Wiederholung des Ähnlichen eine Aussage ist, sondern auch die des Identischen, die hier freilich keine Wiederholung des Gleichen ist, sondern eine des Selben. Das Bild hat, so ist festzuhalten, eine Vergangenheit, die, vor Ablauf der 1000 Loops, einmal seine Zukunft war.
Worauf will diese Überlegung hinaus? Das Bild, das wir sehen, ist eine Bilddatei, die im Quellcode als solche kenntlich wird. Diese Datei besteht selbst wiederum aus zwei Bilddateien, die im Quellcode nicht sichtbar werden, die sich aber extrahieren lassen, wenn man die Mutterdatei in ein Animationsprogramm lädt, mit dem sie zuvor aus den beiden Dateien erstellt wurde. Auf diese Weise konnte ich Bild A von Bild B trennen und Ihnen als Stills präsentieren. Was dabei verlorging, ist ihr Verhältnis zueinander, das sich auf der Ebene der Befehlsdaten in 30/100 Sekunden und 1000 Loops ausdrückt und das auf der sinnlich wahrnehmbaren Ebene gewissermaßen die serielle Malerei und Fotografie aus dem Raum in die Zeit umsiedeln lässt. Diese Befehlsdaten sind die Tiefeninformationen, die zu einem digitalen Bild gehören. Sie bestimmen sein Verhalten, sie schaffen Änderung in der Zeit und geben dem Bild damit einen narrativen Charakter.
Das gewichtet zum einen die Funktion des Bildes innerhalb einer wie auch immer gestalteten Text-Bild-Allianz. Das führt zum anderen zur Frage, wie ein solches Bild dann strukturell noch vom Film zu unterscheiden ist. Bevor wir solche Fragen der Begriffsbestimmung und -abgrenzung gemeinsam diskutieren, will ich auf eine zweite Form der Tiefeninformation aufmerksam zu machen. Was wir hier (nach dem etwas aufwendigen Ladeprozess) sehen, gibt sich leicht als Produkt einer Fotomontage zu erkennen. Es bleibe dahingestellt, ob diese Montage von Leslie Huppert völlig auf digitalem Wege entstanden ist, oder ob sie analog vorlag und dann mittels Scanner ins digitale Medium überführt wurde. Dass es sich nicht um ein Abbild mit Referenz in der Wirklichkeit handelt, ist so oder so unumstritten. Entscheidend und strittig ist wieder die Frage, inwiefern es sich hier noch um ein Bild handelt.
Da in diesem Fall keinerlei Veränderung der Szenerie vor sich geht, ist man zu einer schnellen Antwort versucht. Dies ändert sich, wenn der Reload-Befehl zeigt (was man schon beim Ladeprozess bemerkt haben mag), dass hier ein Bild im Bild vorliegt. Genaugenommen liegen sogar Bilder in Bildern vor, denn zum einen setzt sich das Bild im Bild aus 4 Bilddateien zusammen, zum anderen wurde der HTML-Seite ein Bild als Background zugeordnet, das automatisch so oft geladen und nebeneinander plaziert wird, bis der gesamte Bildschirm damit bedeckt ist. Und wie beim Tapetenkleben ist es so, dass sich bei professioneller Arbeit am Ende die Bahnen nicht mehr ausmachen lassen. Wie viele Bahnen geklebt werden müssen, liegt natürlich an der Größe der Wand: Und da ist der 12 Monitor meines Laptops freilich schneller gefüllt als der 20-Zoller einer Multimedia-Agentur. Insofern gibt es eine Tiefeninformation, die im Computer des Betrachters liegt.
Aber um diese geht es mir gar nicht. Ich will hier auf jene Tiefeninformation verweisen, die im Vergleich zur vorher behandelten geradezu an der Oberfläche liegt. Wir müssen uns nämlich nur den Quellcode anzeigen lassen, um zu sehen, dass 1. das vorliegende Bild aus mehreren Bildern besteht und 2. das eigentliche Bild mit Kind und Elefantenbeinen in ein Netz von weiteren Befehlsdaten gestellt wurde. Die Schlüsselwörter, die für viele freilich nur kryptische Zeichen sein werden, lauten permanentpic, randomfx oder randomaudio. Was dies konkret heisst, erkunden wir am besten auf der sinnlichen Ebene.
Sobald ich dieses Terrain des Innenbildes mit dem Cursor betrete, erscheint ein weiteres Image verbunden mit Sound. Das Bild lässt ein anderes Bild auftreten und Geräusche erklingen. Wie der wiederholte Versuch zeigt, lässt es an der immer gleichen Stelle immer andere Bilder und Töne erscheinen. Dies ist die Folge jener Wörter randomfx oder randomaudio, die dafür sorgen, dass auf den Mouse-Kontakt hin aus den zur Auswahl gestellten 4 Image- und 3 Audio-Dateien jeweils eine nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wird.
Die weitere Erkundung zeigt, dass das Bild in 4 Zonen aufgeteilt ist, die jeweils bei Mouse-Kontakt eine Bild- und eine Sounddatei aktivieren. Das anfangs recht überschaubare Bild erweist sich als ein riesiges labyrinth der subjektiven beziehungsebenen eines menschen. Dieses Labyrint liegt allerdings nicht schon am Anfang der Rezeption vor, es ergibt sich erst im Prozess der Rezeption. Und zwar anders als beim Film erst in Folge der Erkundung durch den Leser. Der Rezeptionsprozess, darauf kommt es an, bestimmt die Präsentation. Anders gesagt: Das Bild wird erst im Prozess seiner Rezeption fertiggestellt.
Dieses Prinzip der verteilten Autorschaft ist vom Hypertext her bekannt, und Christiane Heibach hat die verschiedenen Formen dieser kooperativen Ästhetik in ihrer Dissertation ausführlich beleuchtet. Die Gefahr des Hypertextes liegt bekanntlich darin, dass der Autor die Navigationsweise des Lesers nicht voraussehen und damit nur begrenzt Aussageintentionen im Text manifestieren kann. Das führt in der Konsequenz zu einer Akzentuierung nicht der Botschaft, sondern der Interaktion und arbeitet im Grunde der Ästhetik des Spektakels zu. Die Interaktion kann freilich auch streng kalkuliert werden, womit der Autor die Kontrolle behält und der Leser zum 'Executer' einer angelegten Manifestation wird. Dies ist im vorliegenden Beispiel der Fall. Zwar basiert die Execution auf einem doppelten Zufall: nämlich der ouse-Bewegung des Lesers und des programmierten Zufallsprinzips der ouseover-Events. Trotzdem ist das Ergebnis der Interaktion durch den Autor voraussagbar. Denn es kommt nicht auf die Reihenfolge der erscheinenden Bild- und Tondateien an, sondern auf das Stimmengewirr, das aus der quasi parallelen Abspielbarkeit der Tondateien entsteht und dessen Bedeutung sich im vorliegenden Kontext der Kindheitserinnerung leicht erschließt.
Indem der User dieses Wirrwar an Aussagen und Ansprüchen durch die ausbewegung nun selbst erstellt, gerät er in ein ambivalentes Rollenspiel. Als Betrachter der Szenerie tendiert er einserseits, sich mit dem Kind zu identifizieren und dessen Perspektive auf die Außenwelt einzunehmen. Als Executer ist er andererseits zugleich diese Außenwelt, die dem Kind gegenübertritt. Diese zweite Rolle lässt sich in dieser Form weder im analogen Bild vermitteln, weil dieses keine Entwicklung kennt, noch im Film, weil dieser nicht auf Interaktion beruht.

3. Anschlüsse

Die vorgeführten Fälle der Visualisierung geben einen Eindruck davon, welch neue Eigenschaften das Bild im Zeichen seiner Digitalität annimmt. Es sei zum Abschluss nach den Konsequenzen für die Semiotik des digitalen Bildes bzw. der Text-Bild-Relation gefragt.
Signifikation im Rezeptionsprozess lässt sich im allgemeinen in zwei Schritte unterteilen: die primäre der vorliegenden Zeichen und die sekundäre, die sich auf der Basis der primären konstituiert. (6) Während die primäre Signifikation in sprachlichen Äußerungen auf diskreten, an sich schon bedeutungstragenden Elementen (Lexeme) beruht, besitzt sie in ikonischen Äußerungen eine weit geringere Kodiertheit, denn jedes wahrnehmbare Element (jede Linie, Form, Farbe) und deren Kombination kann bedeutungstragend sein, muss aber nicht. Das Bild, so Tietzmann, auf den ich mich hier beziehe, ist im Gegensatz zum Text ein Kontinuum nicht-diskreter Zeichen, das erst durch die Projektion hypothetisch angenommener Signifikate auf das Bild als eine Menge diskreter Zeichen strukturiert wird: was Zeichen ist, entscheidet sich in Funktion der Bedeutung.(7)
Im Falle unseres letzten Beispiels lassen sich zwei Abweichungen von der herkömmlichen Situation festhalten.
1. Nicht nur die sekundäre Signifikation muss vom Rezipienten erstellt werden, auch die primäre Signifikation ergibt sich erst im Prozess der Rezeption, denn die dargestellte Situation liegt nicht von Anfang an vor. Aufgrund dieser Prozeduralität gibt das digitale Bild sein traditionelles Kennzeichen der synchronen Zustandshaftigkeit auf und nimmt narrative Züge an. (8) Innerhalb dieser Vollendung der primären Signifikation ergibt sich auch erst die Text-Bild-Relation, wobei der Text hier als gesprochene Sprache auftritt. Die verbale Äußerung ist, als Tiefeninformation des Bildes, auf ganz neue Weise in die ikonische eingebettet und übernimmt deren Kennzeichen der zumindest virtuell gegebeben Simultaneität der Elemente. (9) Zugleich ist die verbale Äußerung in die Rezeptionshandlung eingebettet, in der erst sie zur wahrnehmbaren Äußerung wird.
2. Die Erscheinung des Bildes und der in ihm eingebetteten Texte erfolgt nach den Kodierungsmerkmalen ikonischer Äußerungen. So wie ikonische Elemente nicht per se aus diskreten Zeichen bestehen und erst auf der Grundlage von Hypothesen zu solchen werden, so sind auch all jene Zeichen, die hier als Tiefeninformation vorgeführt wurden, nicht-diskrete Zeichen. Das betrifft z.B. die Entfaltungsrichtung der Teleskopsätze im ersten Beispiel, das betrifft die Anzahl und Dauer der Loops im zweiten oder die Anordnung der ouseover-Events im dritten (gibt es z.B. einen Zusammenhang zwischen dem Ort auf der Oberfläche, an dem ein Audio-File aktiviert wird, also zwischen dem markierten Bildteil und dem daraus resultierenden Text bzw. Ton?). Die Interpretation des digitalen Bildes schließt die Verwandlung dieser nicht-diskreten Zeichen in diskrete aufgrund projizierter Hypothesen notwendig ein. Das erfordert freilich die Entwicklung einer entsprechenden Hermeneutik der Tiefeninformation, die eine Hermeneutik der Interaktion, als dem eingeplanten, zumeist nur vage oder gar nicht kalkulierbaren Faktor der Zeichenkonstituierung, einschließen muss.(10)

Fussnoten

(1) Die Visualisierung wird verschiedentlich konstatiert, so von Vilém Flusser (entsetzlichen gegenwärtigen Bilderflut; Medienkulturen, Frankfurt am Main 1998, S. 69-82, hier: S. 71), W. J. T. Mitchell (The Pictorial Turn, in: ders., Picture Theory: Essays on Verbal and Visual Representation, The University of Chicago Press 1994, S. 11-34) Jay David Bolter (breakout of the visual; Ekphrasis, Virtual Reality, and the Future of Writing, in: Geoffrey Nunberg (Hg.), The Future of the Book, Berkeley: University of California Press, 1996, S. 253-272 sowie Die neue visuelle Kultur. Vom Hypertext zum Hyperfilm, Telepolis 2 1997, S. 84-91) und Mitchell Stephens (The Rise of the Image, the Fall of the Word; New York: Oxford University Press, 1998).

(2) Dass Leser im Angesicht des Spektakels die hermeneutische Arbeit vernachlässigen, lässt ein Leserkommentar zum Epos der Maschine vermuten: alleine der umgang schrift und typographie! ich brauche gar nicht mehr zu lesen! wie sich woerter ineinanderschieben und kreisen und erscheinen und verschwinden und und und und und! (vgl. in Besprechung zum Epos in dichtung-digital) .

(3) Vgl. dazu Gottfried Willems, Kunst und Literatur als Gegenstand einer Theorie der Wort-Bild-Beziehungen. Skizze der methodischen Grundlagen und Perspektiven, in: Text und Bild, Bild und Text: DFG-Symposion 1988, Metzler: Stuttgart 1990, S. 414.

(4) Wenn die Sprechinstanz des Textes im Bild abgebildet ist erfüllen die Bildpropositionen für die Textpropositionen dieselbe bedeutungsbegrenzende Funktion (durch Desambiguierung, Referentialisierung, usw.) wie reale Sprechsituationen für reale sprachliche Kommunikation. (Michael Tietzmann, Theoretisch-methodologische Probleme einer Semiotik der Text-Bild-Relation, in: Text und Bild, Bild und Text: DFG-Symposion 1988, Metzler: Stuttgart 1990, S. 368-384, hier: S. 382) - Als ikonische Zeichen werden hier, der Begrifflichkeit bei Tietzmann folgend, ausschließlich nichtsprachliche Zeichen verstanden.

(5) in Abhängigkeit von der Textbedeutung wird die Interpretation, Fokalisierung, Hierarchisierung des Bedeutungspotentials des Bildes vorgenommen, soweit es dessen Merkmale erlauben (Tietzmann, ebd, S. 382) Durch Metapropositionen des Textteils können primäre Signifikate des Bildes als sekundäre Signifikanten funktionalisiert und ihnen sekundäre Signifikate zugeordnet werden: in der umgekehrten Richtung, von dem Bild auf den Text wirkend, ist dieser Prozeß nicht möglich. (ebd., S. 383).

(6) Ein elementares - primäres - Signifikat ist demnach zum Beispiel die von einem Text oder einem Bild dargestellte Situation. (Tietzmann, Anm. 4, 376).

(7) Ebd., 378. aufgrund von Wahrnemungs- und Wissenstruktur werden manche Teilmengen von Bildelementen (etwa menschliche Gestalt) schneller und sicherer als Signifikanten interpretiert als andere (zum Beispiel der Hintergrund solcher Gestalten) (378f.).

(8) Wir haben am ersten Bild-Beispiel gesehen, dass das digitale Bild seine Elemente auch unabhängig vom Input des Betrachters sukzessive erscheinen lassen kann, was natürlich viel stärker im narrativen Sinne nutzbar ist, wenn statt des ganzen Bildes nur Teile davon ausgetauscht bzw. Stück für Stück hinzugefügt werden.

(9) Insofern die Menge simultan gegebener Elemente nur virtuell existiert und durch unbestimmte Reaktionen des Rezipienten erst punktuell offengelegt werden muss, wird die Präsentation der Elemente freilich wieder auf das Prinzip linearer Sukzession rückgebunden. Zum anderen behält jedes Textsegment (also jede Sound-Datei) natürlich seine Sequentialität.

(10) Man darf die Kalkulationsmöglichkeiten freilich nicht unterschätzen, so wie man wohl in vielen Fällen ihre bewusste Nutzung durch die Autoren nicht überschätzen darf. Im vorliegenden Fall z.B. wäre zu fragen, inwiefern Leslie Huppert durch das Setzen der Navigations-Button im unteren rechten Bereich des Bildschirms dafür sorgt, dass die User sich mit der Maus von dort auf das Mittelbild zu bewegen und zwangsläufig zuerst das Mouse-Over-Event des rechten Teilbildes auslösen.




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