Das Spiel als Romanwirklichkeit wiedergeben
Das Spiel erlaubt es uns, Alternativrealitäten zu bilden. Kinder spielen Indianerspiele, Erwachsene spielen am Computer oder schreiben Bücher. Und Tobias O. Meissner schreibt, als hätte er sein Leben lang nur Hardcore-Comics gelesen und sich trotzdem Thomas Pynchon, den grössten Verschwörungstheoretiker und Schriftsteller unter unseren Zeitgenossen, als Übervater ausgesucht. Es war das Amerika in uns, das in Starfish Rules (Eichborn 1997) beschrieben wurde, und zwar das Ganze, mit allen Abgründen und ohne eine Schiesserei auszulassen. Oder besser, es waren unsere amerikanisierten Sekundär- und Tertiärträume, die Meissner souverän arrangiert hatte. Auch in Halbengel (Eichborn 1999) erwies sich Meissner wieder als souveräner Kopf bei der Verfertigung der Collage aus dem Geist der Widerstands, diesmal waren es Kritiken, Interviews, Musikstücke und Fanpost, die er zusammenschnitt. Und die heute breite Diskussion um die Marktstrategen und Konzerne im Herzen des Pop hatte er auch vorweggenommen. Man mag Meissner Zynismus vorwerfen. Aber mit dem Kurzroman Todestag (Eichborn 2000) hat er deutlich gemacht, dass es in allen seinen Büchern um die Rettung der Welt geht. In Todestag versucht es einer, indem er den Bundeskanzler umbringt. Wir hören, was der von seiner Idee ganz durchdrungene Held den Ermittlern zu sagen hat. Der Reiz des Buches liegt in den überzeugenden Argumenten, die Meissner seinem Protagonisten in den Mund legt. Mit seiner Erzählung Neverwake hat er zu alter Höhe zurückgefunden: Statt Fussball gibt es hier Computerspielturniere in Riesenhallen, virtuell zwar, aber doch mit handfesten Auswirkungen. Und es gibt Spiele, die sich aus den Gehirnen der Spieler generieren, um diese dann ins Koma zu schicken.
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